„Für mein Empfinden kann noch nicht von einem wirklichen Wandel gesprochen werden“

Prof. Dr. Benjamin Mayer, Leiter der Biometrie am Zentrum für Klinische Studien (ZKS) Ulm und Mitglied der AG Lehrforschung der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm, berichtet über den Einsatz der Statistik in der Experimentplanung im Rahmen des Projekts SPARTA.

Person schreibt auf Tafel. Person schreibt auf Tafel.
Statistische Verfahren können die Experimentplanung verbessern. Quelle: Adobe Stock / Gorodenkoff

Herr Professor Mayer, im Projekt SPARTA planen Sie, auf Basis statistischer Ansätze die Anzahl benötigter Versuchstiere besser zu evaluieren. Wie gehen Sie hier konkret vor?

Wir schauen uns im Rahmen unseres Projekts einige statistische Verfahren genauer an, deren Einsatz bislang wenig verbreitet ist, die jedoch das Potenzial haben könnten, die gängigen Probleme etablierter Analyse- und Planungsverfahren im Tierversuch zu adressieren. Zu diesen Problemen zählen vor allem der Umgang mit unsicheren Verteilungseigenschaften der zu evaluierenden Daten sowie das adäquate Bereitstellen möglichst valider Vorinformationen, die zur statistischen Fallzahlschätzung verwendet werden können.

Aktuell werden häufig parametrische Methoden in der Versuchsplanung und Auswertung genutzt. Hierbei stößt man jedoch schnell an Grenzen. Warum ist diese Vorgehensweise Ihrer Meinung nach nicht ausreichend?

Parametrische Planungs- und Auswerteverfahren sind in der Tat sehr verbreitet, obwohl deren Einsatz insbesondere bei Tierversuchen sehr limitiert ist. Die für die gängigen parametrischen Verfahren notwendige Überprüfung der Normalverteilungsannahme kann auf Basis der meist sehr niedrigen Fallzahlen keine validen Resultate liefern. Insofern können auch die Ergebnisse einer Fallzahlschätzung nicht valide sein, wenn parametrische Verfahren gegebenenfalls eingesetzt werden. Folglich sind mit diesem Vorgehen keine qualitativ hochwertigen Forschungsergebnisse zu erzeugen, wie das generell und insbesondere im Bereich der Tierversuche gewünscht ist.

Wie sehr befindet sich die Statistik und deren Nutzung zur Experimentplanung im Wandel? Gibt es nützliche Tools, die Sie empfehlen können bei der Experimentplanung?

Für mein Empfinden kann noch nicht von einem wirklichen Wandel gesprochen werden. Dafür werden zu viele Dinge so gehandhabt, wie sie immer schon gehandhabt wurden. Die entsprechenden Methoden stehen zur Verfügung - sowohl die theoretischen Grundlagen betreffend als auch in Bezug auf entsprechende Tools -, um die entsprechenden Methoden in der Praxis anzuwenden. Zahlreiche Statistikprogramme wie SAS, R oder nQuery Advisor, bieten mittlerweile teilweise umfangreiche Implementierungen an, was beispielsweise die Umsetzung von Varianzanalysen auf Basis nicht-parametrischer Methoden angeht oder auch Simulations-basierte Anwendungen aus dem Bereich der Bayes-Statistik.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Schwachstellen bei der Planung von Tierversuchen bzw. wissenschaftlichen Experimenten im Allgemeinen?

Im Tierversuch müssen wir auf Seiten der Planung zwei Aspekte noch stärker in den Fokus rücken als dies bislang der Fall ist: Zum einen braucht es eine umfassende Schärfung des Bewusstseins hinsichtlich möglicher Probleme, die sich aus methodischer Sicht bei Experimenten mit kleinen Fallzahlen ergeben können. In Konsequenz müssen zum anderen die zur Verfügung stehenden methodischen Möglichkeiten in der Praxis auch angewandt und umgesetzt werden. Auch wenn dies für alle Beteiligten - also Antragssteller, Biometriker oder Genehmigungsbehörden - eine Abkehr vom vertrauten Terrain bedeutet. Konkret bedeutet das im Hinblick auf die Planung von Tierversuchen, dass die vertrauten 3R beispielsweise erweitert werden müssten, um etablierte Elemente der klinischen Forschung (z. B. Studienregistrierung, Randomisierung) und den Einsatz verteilungsfreier Methoden in den Fokus zu stellen.

Welche Schritte sind in Ihrem Projekt noch geplant und wie möchten Sie die Ergebnisse nach Ende des Projekts verbreiten?

Die tatsächlichen Erkenntnisse aus unseren Untersuchungen liegen größtenteils vor, sodass es nun in der verbleibenden Projektlaufzeit darum geht, diese Ergebnisse zusammenzufassen und zu publizieren. Parallel dazu wollen wir mit Antragsstellern und Genehmigungsbehörden in den Austausch gehen, um herauszufinden auf welchen Wegen die Propagierung unserer Ergebnisse möglichst zielführend sein kann, um wiederum deren Transfer in die alltägliche Praxis voranzutreiben.

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