IMP3ROVE: Die Qualität biomedizinischer Forschung verbessern

IMP3ROVE, eine europäische Netzwerk-Initiative, arbeitet mit vier Arbeitsgruppen an verschiedenen Herausforderungen des biomedizinischen Forschungsbereichs. Den Konzepten aus dem 3R-Bereich kommen dabei eine besondere Bedeutung zu. Prof. Dr. Winfried Neuhaus, Vorsitzender von IMP3ROVE, erläutert die Vision des Vorhabens.

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IMP3ROVE nutzt Erkenntnisse und Konzepte aus dem 3R-Bereich, um die Qualität der biomedizinischen Forschung zu steigern. Quelle: IMP3ROVE

In Wissenschaftskreisen sind die Begriffe „Reproduzierbarkeitskrise“ und „Übertragbarkeitskrise“ geflügelte Wörter. Sie beschreiben einerseits das Problem, dass viele wissenschaftliche Studien nicht durch andere Forschende zu reproduzieren sind. Andererseits können Ergebnisse aus präklinischen Studien nur selten in die Klinik translatiert werden. Als Ursachen dafür nennen Forschende oft Mängel bei der Planung, Dokumentation und der statistischen Auswertung. Auch Störfaktoren im Labor spielen eine Rolle.

Eine robustere experimentelle Planung und statistische Methodik sowie die Entwicklung neuer, humanbasierter Methoden haben das Potenzial, reproduzierbare und translationsfähige Daten zu generieren. Dies hat eine immense wissenschaftliche, wirtschaftliche und soziale Bedeutung.

IMP3ROVE nutzt Erkenntnisse und Konzepte aus dem 3R-Bereich, um die Qualität der biomedizinischen Forschung zu steigern.

3 Fragen an Prof. Dr. Winfried Neuhaus, Vorsitzender von IMP3ROVE:

Es gibt bereits zahlreiche (Netzwerk-)Initiativen im 3R-Feld. Welche Akteure sollten sich bei IMP3ROVE beteiligen?

Wir freuen uns über eine Beteiligung aller Stakeholder, die in Prozessen des 3R-Bereiches involviert sind. Dazu gehört einerseits die Akademie – also die Naturwissenschaften (anwendungs- oder grundlagenorientiert) und Sozialwissenschaften (z. B. mit Fokus auf die Bewusstseinsbildung der Problematiken und des aktuellen Standes sowie Ethiker). Anderseits möchten wir die Industrie ansprechen, also große Unternehmen, die sich mit 3R Konzepten befassen (sei es im Refinement oder Replacement) und z. B. Alternativmethoden selbst entwickeln und anwenden, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen als Serviceprovider und Methodenentwickler. Weitere Stakeholder sind beispielsweise Behörden, die Vertrauen in und Wissen über neue Technologien wie NAMs (new approach methodologies) schaffen sowie Tierschutzorganisationen, Jungwissenschaftler und Menschen aus ITC-Ländern.

Was sind in Ihren Augen derzeit die größten Hürden bei der Umsetzung von 3R?

So generell ist das nicht zu beantworten. Die 3R sind per Gesetz für Tierversuche vorgeschrieben und müssen eingehalten werden. Daher werden sie auch umgesetzt. Die Frage zielt eher darauf ab, wie man Tierversuchszahlen reduzieren und die Qualität der Tierversuche verbessern kann. Hier ist die Bewusstseins- und Vertrauensbildung neben der Entwicklung und Qualifizierung neuer Methoden der Schlüssel. Die Evidenz und die Daten müssen so gut sein, dass auch Behörden sie für den regulatorischen Bereich akzeptieren. Gerade die Qualifizierung und Validierung neuer Methoden für exakt definierte Anwendungsfälle (context of use) kostet Geld, hat aber nicht den reinen Wissensgewinn wie in der Grundlagenwissenschaft zum Ziel. Daher kann die Finanzierung nicht nur durch die öffentliche Hand gestemmt werden. Sie sollte in Zusammenarbeit mit der Industrie erfolgen. Zusätzlich sind Ausbildung und Bildung nicht nur für Forschende, sondern auch für Behörden und die Öffentlichkeit wichtige Faktoren, um das Wissen zu neuen Methoden zu verbreiten und letztlich in die Anwendung, auch in der Grundlagenwissenschaft, zu bringen.

Was ist Ihre Vision für IMP3ROVE?

Die Vision für IMP3ROVE ist nicht nur in den Arbeitsgruppen thematische Fortschritte zu erzielen, sondern auch ein besonders nachhaltiges Netzwerk zu bilden und zu festigen. Wir möchten die begonnenen Initiativen auch nach Projektablauf weiterführen und dazu beitragen, die Qualität biomedizinischer Arbeiten zu verbessern.

Vier Arbeitsgruppen arbeiten an vier Herausforderungen

Das Rückgrat von IMP3ROVE bilden vier Arbeitsgruppen, die sich je einem Aufgabengebiet widmen:

Qualität und Translationsfähigkeit

Bei präklinischen Studien steht immer die Frage im Raum, inwieweit die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sind. Zeitgleich müssen Forschende auch neuere Erkenntnisse aus in-vitro-Studien in die bestehende Datenlage einordnen. So ergibt sich ein Gesamtbild der Vorgänge im menschlichen Körper. Das Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Forschungsansätze zu evaluieren und die Aussagekraft der einzelnen Methoden abzuschätzen, um letztendlich zu einer Verbesserung beizutragen.

Implementierung

Leitfäden wie GCCP (Good Cell Culture Practice) für Zellkulturen sowie die PREPARE (Planning Research and Experimental Procedures on Animals)- und ARRIVE (Animal Research: Reporting In Vivo Experiments)-Guidelines für Tierversuche sind Beispiele für gelungene Anleitungen zur Implementierung von Methoden. Die Arbeitsgruppe untersucht, wie Prozesse zur Etablierung und Evaluation von Methoden in Kooperation mit Stakeholdern wie Anwendenden und Entwickelnden (z.B. Industrie, Regulatoren, Biotech-Unternehmen, Politik) aussehen können. Mit dem Wissen um die notwendigen Limitierungen und Voraussetzungen können Forschende objektiv die am besten geeignete Methode für ihre Fragestellung wählen.

Verbreitung

Weltweit zugängliche und einfach zu nutzende Kanäle sind grundlegend für die Verbreitung neuer Konzepte und Methoden. Die Arbeitsgruppe baut daher ein Netzwerk bestehend aus internen und externen internationalen Kontakten auf. Dieses soll künftig zur Verbreitung biomedizinischer sowie Bewertungsmethoden genutzt werden. Um die Vergleichbarkeit von Daten zu gewährleisten, ist zudem eine Standardisierung und Vereinheitlichung in der Dokumentation erforderlich.

Ausbildung

Die Arbeitsgruppe arbeitet an Themen wie der Verbindung und Optimierung von Bildungsaktivitäten auf verschiedenen Ebenen (Schule, Universität, Postgraduiertenstudium) in unterschiedlichen Bereichen (Grundlagenforschung, Regulatorik, Industrie und Entwicklung, Tierschutz und -pflege). Dazu zählen die gemeinsame Nutzung von Bildungsstrategien, Dokumenten, Lehrmaterialien usw. sowie die Kommunikation mit Interessensvertreterinnen und -vertretern im Bildungsbereich wie den Entwickelnden von Lehrplänen in Ministerien und Universitäten.

Ethische Vereinbarkeit

Bei der Verbesserung der Qualität der biomedizinischen Wissenschaft spielen auch ethische Aspekte eine wichtige Rolle. Wissenschaftliche Qualität beruht auf dem Bewusstsein für die expliziten und impliziten normativen Prämissen, Transparenz und moralischem Handeln. Das Offenlegen und Kommunizieren des Forschungsansatzes und der Methodenwahl ermöglicht Diskurs, Kritik und Verbesserung. Für gute wissenschaftliche Arbeit müssen Forschende ethische Grundlagen und Aspekte bei der Auswahl der besten Methoden berücksichtigen.

Über IMP3ROVE

IMP3ROVE wird von der Europäischen Kommission gefördert und von COST (European Cooperation in Science & Technology), einer Förderagentur für Forschungs- und Innovationsnetzwerke, getragen.

COST verfolgt verschiedene Initiativen, die dazu beitragen, Forschungsinitiativen in ganz Europa zu vernetzen. Forschende können durch den Austausch mit Gleichgesinnten neue Ideen entwickeln. Dies fördert Forschung, Karrieren und Innovationen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website www.cost.eu.

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