Dr. Martin Raasch

Von der Ornithologie zur Biochemie – Dr. Martin Raasch erzählt von seiner beruflichen Laufbahn hin zu seiner derzeitigen Tätigkeit als Teil der Geschäftsführung bei der Dynamic42 GmbH. In dem Biotechnologie-Unternehmen entwickeln und vermarkten die Mitarbeitenden u. a. Organ-on-Chip-Modelle für die präklinische Forschung.

Dr. Martin Raasch Dr. Martin Raasch
Dr. Martin Raasch Quelle: BMBF / Laurin Schmid / Bundesfoto

Wenn Dr. Martin Raasch an seinen beruflichen Werdegang zurückdenkt, kommt ihm seine Kindheit auf dem Land in den Sinn. „Wir waren immer draußen auf Entdeckertour. Ich habe Wissenschaftssendungen unterschiedlicher Art geliebt und fand die Erklärungen von Harald Lesch spannend, obwohl ich damals kaum die Hälfte verstand.“ Ein Jahr auf der Insel Amrum als Wattführer und Vogelzähler stärkte zudem sein Interesse für Umwelt- und Tierschutzthemen. Gepaart mit seiner Faszination für Labore und technische Anlagen war der Grundstein für seine wissenschaftliche Ausbildung gelegt.

Der Weg zur Dynamic42 GmbH

Während seines Biochemie-Studiums in Leipzig schlug Dr. Raasch die Spezialisierung „Biochip-basierte Anwendungen“ ein. Dieses Thema verfolgte er weiter in seiner Doktorarbeit am Uniklinikum in Jena. Zeitgleich entschloss er sich, mit Kollegen den Weg in die Ausgründung zu wagen. „Mittlerweile führe ich als Teil der Geschäftsleitung die Dynamic42 GmbH im siebten Jahr“, erzählt Dr. Raasch. Sein beruflicher Alltag hat sich seitdem signifikant verändert und besteht hauptsächlich aus Büroarbeit und Besprechungen. Er stimmt beispielsweise wissenschaftliche Studienpläne mit seinem Team und den Kunden ab. Mehrmals im Jahr vertritt er Dynamic42 auf wissenschaftlichen Konferenzen, auf Messen und Netzwerkveranstaltungen, aktuell mit Fokus auf Europa und die USA. „Das Labor besuche ich nur noch, wenn ich Fragen an meine Mitarbeitenden habe oder, um zu sehen, wie den Kundinnen und Kunden unsere Trainingskurse zur Organ-on-Chip-Technologie gefallen.“

Die Komplexität des menschlichen Körpers nachahmen

Der Fokus liegt auf Infektionskrankheiten und der Untersuchung der Wirt-Krankheitserreger-Interaktion, um Vorgänge im Darm, der Leber und der Lunge so körpernah wie möglich, inklusive Mikroorganismen, abzubilden. Die Lunge wehrt z. B. täglich unzählige Keime und Partikel aus der Umgebungsluft ab. Diese Mechanismen versuchen Dr. Raasch und sein Team im Labor nachzustellen, um sie anschließend zur Bewertung neuer Therapieansätze einzusetzen. Dabei muss wissenschaftliche Detailtiefe oft einer breiten Anwendbarkeit der entwickelten Modelle und angebotenen Services den Vorrang lassen.

Eine weitere Herausforderung stellt die Balance zwischen Mikroorganismen und menschlichem Gewebe dar. Es braucht das passende technische Umfeld im Biochip, um solche speziellen Ko-Kulturen auf den Infektionsmodellen zu etablieren. Geschieht das unkontrolliert, entsteht in wenigen Stunden eine kontaminierte Gewebekultur, die abstirbt. Für manche Mikroorganismen entwickeln Dr. Raasch und sein Team daher ein spezielles technisches Umfeld, um sie in die Modelle zu integrieren. Ein Beispiel hierfür ist die Sauerstoffkontrolle für bestimmte Darmbakterien, die nur unter Sauerstoffabschluss wachsen können. „Man weiß nie, welche Fragestellungen Kundinnen und Kunden mitbringen. Plötzlich beschäftigt man sich mit Mundschleimhaut und muss sich überlegen, wie ein Modell aussehen könnte.“

Biochips mit vielfältigem Nutzen, aber auch Beschränkungen

Die Organ-on-chip-Technologie ermöglicht es Tierversuche für gezielte Fragestellungen, vor allem in der Grundlagenforschung, zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten. Dies kann zu einer Verbesserung der Übertragbarkeit von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung bis zur Anwendung am Menschen führen.

„Auch die Interaktion von Krankheitserregern mit dem Menschen können wir mithilfe der Biochips untersuchen. Wir können also auch biologische Forschungslücken adressieren“, erklärt er. Hierbei setzt Dr. Raasch zukünftig auch auf große Synergien mit dem computational modelling. Limitationen sieht er in der Durchsatzleistung der Modelle. Zudem sind Organ-Organ-Interaktionen noch nicht ausreichend darstellbar. „Bis zum Körper-auf-dem-Chip ist es noch ein weiter Weg.“

Forschen, um Veränderungen voranzutreiben

Heutzutage geht es Dr. Raasch stärker um die Relevanz und Anwendbarkeit seiner Arbeit. „Ich frage nach dem technisch-biologisch Machbaren. Spezielle wissenschaftliche Fragestellungen sind spannende Anwendungsbeispiele. Aber ich bin nicht der klassische Wissenschaftler, der einen Prozess bis zum letzten Detail verstehen möchte.“ Ihm geht es darum, mit der eigenen Forschung Veränderungen voranzutreiben.

Welchen Rat möchten Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs mitgeben?

  • Probiert Dinge aus! Nehmt alle praktischen Erfahrungen fernab des Semesterplans mit, um zu ergründen, wo ihr beruflich hinmöchtet. HiWi-Jobs oder Praktikumsmöglichkeiten in wissenschaftlichen Unternehmen eignen sich gut.
  • Die Unipraktika zeigen euch Techniken, aber sie vermitteln nicht den Laboralltag, der in unterschiedlichen Forschungsgebieten doch sehr unterschiedlich aussehen kann.
  • Einmal Studium oder Doktor in der Tasche: Wagt nochmal etwas, vor allem in beruflicher Hinsicht (langer Auslandsaufenthalt, Gründung, Engagement in Initiativen).

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